Axel Vervoordts Life Goes in Circles

Axel Vervoordts

ES WAR EINMAL EINE MALZBRENNEREI.

BIS AXEL VERVOORDT, KUNSTHÄNDLER UND INTERIORDESIGNER, SIE STÜCK FÜR STÜCK UND SCHLIESSLICH DAS GANZE AREAL AM ALBERTKANAAL AUFKAUFTE UND IN EIN SPEKTAKULÄRES HABITAT FÜR KUNST, ARCHITEKTUR UND WOHNEN VERWANDELTE.

„Living in a Box“, den Ohrwurm der gleichnamigen Pop-Band der 80er-Jahre hat sicher jeder gleich im Ohr. Und die Moral von der Geschicht? Das Leben geht im Kreis.

Axel Vervoordts Life Goes in Circles
Foto: JAN VERLINDE

Ähnliches muss auch Axel Vervoordt – Kunsthändler und die Ikone des Interiordesigns schlechthin – im Kopf gehabt haben, als er die alte Malzbrennerei von 1857 am Albertkanaal nahe Antwerpen für sich entdeckte; Stück für Stück und schließlich das ganze Areal kaufte und in ein spektakuläres Habitat für Kunst, Architektur und Wohnen verwandelte. Zwei Jahrzehnte sollte es dauern, bis Vervoordt sein Szenario des idealen Rückzugsortes – einem der Leben und Kunst miteinander verschmelzen lässt – verwirklicht sah. Wesentlicher Teil seines Masterplans: der Umbau der ehemaligen Industriebauten auf dem immerhin 55.000 Quadratmeter großen Areal in gewerbliche und private Nutzflächen. Besondere Herausforderung: die Grundrisse der trutzigen Betonsilos. Mit dem Umbau dieser Röhren in Apartments beauftragte Axel Vervoordt den Architekten Stéphane Beel, der sich bereits mit etlichen öffentlichen Aufträgen wie Museen, Gerichts- und Universitätsbauten in Belgien und den Niederlanden verdient gemacht hatte. Die Gebäude am Albertkanaal in Wijnegem strahlen eine majestätische Ruhe und Kraft aus; wie gemacht für das Leben und Arbeiten in unserer rasend unsteten Zeit. Hier findet sich alles, was der Mensch braucht. Läden, Restaurants, Showrooms, Galerien, eine Kapelle, Werkstätten, Ateliers und – Kunst: feste Installationen von Marina Abramović, James Turell oder Anish Kapoor zum Beispiel. So gut wie alle 98 Apartments auf der ehemaligen Industriebrache sind verkauft und kein Ei gleicht dem anderen. Ein glücklicher Umstand, der allein schon den unterschiedlichen architektonischen Grundformen der Gebäude geschuldet ist. Der belgische Innenarchitekt Arjaan De Feyter stellte sich der Herausforde- rung und schuf für ein Ehepaar, dessen Kinder gerade flügge geworden waren, in einem der Silos eine 200 Quadratmeter große Wohnung, die sich über vier Betonröhren erstreckt. Eine davon wandelte er zum Quadrat um, damit das Auge sich entspannen kann. „Uns war bewusst, dass das Leben in runden Räumen nicht gerade ideal ist. Die Unendlichkeit des Kreises kann einen Menschen schon mal beunruhigen oder verwirren. Darum haben wir uns bei der Konzeption der Räume auf eben jene visuellen Verschnaufpausen fokussiert“, so De Feyter. „Die Grundidee: Funktionsräume wie das Bad, den Schlafraum, das WC und die Garderobe von den Silos zu trennen und somit den Fluss der Wohnung zu lenken“, erklärt er. Um die Atmosphäre des unkonventionellen Raums zu erhalten, fügte Arjaan De Feyter nur zwei Wände in den Raum ein und arbeitete allem voran den industriellen Charakter heraus – Sichtbetonböden, Betonputzwände und Ziegelstruktur; eine Entscheidung, die er zugunsten der besonderen Eigenschaften der Materialien und ihrer Haptik traf. Der Belgier hatte schon eine langjährige, freundschaftliche Verbindung zu seinen Auftraggebern, als das Silo-Projekt startete. So gestaltete sich auch der Designprozess sehr persönlich und das Paar begleitete den Innenarchitekten zu Handwerksbetrieben und Ateliers auf der Suche nach den richtigen Materialien. „Das ist ein Prozess, an dem wir unsere Kunden gerne teilhaben lassen“, sagt Arjaan De Feyter, „so hat nun ein jedes davon eine besondere Erinnerung für sie.“ Inspiriert durch den Ort und die marokkanischen Wurzeln des Paares, schuf De Feyter mit seinem maßgeschneiderten Design ein Gefühl von entspannter Gelassenheit, indem er sorgfältig genau auf Texturen, Oberflächen und Materialien achtete.

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Foto: JAN VERLINDE

„Alle Betonwände sollten mit einer neutralen Mineralfarbe gestrichen werden. Wir haben lange nach der richtigen Maltechnik gesucht“, erzählt er. Eine, die den rauen Charakter des Materials nicht verfremdet und sich trotzdem warm und wunderbar haptisch anfühlt. Mit dem richtigen Handwerksbetrieb – in dem Fall die Firma Texture Painting aus Turnhout – wurde das möglich.“ Auch die Böden ließ De Feyter von demselben Betrieb belegen und mit einer Microtopping-Oberflächenbehandlung überziehen. Charmantes Detail: in einige der Bodennähte ließ der Innenarchitekt kleine, feine Messingdetails einbringen, die die Fläche insgesamt auflockern. Die Materialpalette, die De Feyter in der Wohnung verbaut hat, verleiht dem Design wohlige Wärme und sinnliche Tiefe. Und so gut wie alles in der Silo-Wohnung „M-M“ ist custom made. Von den auf Maß gefertigten Küchenschränken aus dunkler Esche, die mit der Tinte der Gallwespe gefärbt, von Hand poliert und mit handpigmentiertem Silber akzentuiert wurden, über die Leinenstoffe für die Polster des skulpturalen Sofas im Tadelakt-Stil – ein Entwurf von De Feyter und dem Möbeldesigner Tim Vranken – bis hin zu dem geschwungenen Teppich und dem Vorhang an den Wänden im kreisrunden Wohnraum. „Der Vorhang mag auf den ersten Blick banal wirken, aber er ist essenziell für unser Design. Er steuert die Laufzonen zwischen dem Wohn-, Ess- und Ruhebereich und fungiert als akustischer Weichmacher und subtiler Raumteiler für ein Maximum an Intimität. Warme Töne und Texturen wiederholen sich von Raum zu Raum und schaf- fen in der Summe mit allen anderen Komponenten das, was dem Innenarchitekten bei diesem herausfordernden Projekt be- sonders am Herzen lag: einen harmonischen und entspannten Fluss zu kreieren. Ein willkommener Beweis dafür, dass es längst nicht mehr cool ist, „in Kisten zu leben“, sondern den runden Weg zu gehen. Das Leben geht im Kreis. Und das ist gut so.

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Foto: JAN VERLINDE

Arjaan De Feyter schloss sein Innenarchitektur-Studium 1999 am Henry Van de Velde Institut in Antwerpen ab. Kurze Zeit darauf gründete er sein eigenes Designbüro. Seit 2006 besetzt er einen Lehrstuhl für Innenarchitektur an der Fakultät für Architekturwissenschaften der Universität Antwerpen. Das Büro, das ebenso am Albertkanaal Quartier bezogen hat, hat sich auf Gesamtkonzepte spezialisiert, die auf die Gegebenheiten des jeweiligen Raums zugeschnitten sind. Der Großteil der Projekte entfällt auf Privathäuser. De Feyter hat eine besondere Vorliebe für Klarheit, pure Materialien und einen ausgeprägten Sinn für Details. Sein Fokus liegt auf einem ruhigen, minimalistischen Design; ein Ansatz, den er „Architektur aus der Seele“ nennt. Arjaan De Feyters Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet.

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Foto: JAN VERLINDE

TEXT: DAPHNA UTE WILDEMANN