Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend

Johannes Kößler, Antiquitätenrestaurator und Händler

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Beste im ganzen Land? Unsere Wahl fällt auf Johannes Kößler, Antiquitätenrestaurator und Händler.

Deutschlandweit ist die Zahl der Antiquitätengeschäfte kontinuierlich gesunken, während die Zahl der Vintage-Shops explodiert. Die Retrowellen inspirieren vor allem ein jüngeres Publikum, sich mit Möbeln aus allen Dezennien des 20. Jahrhunderts einzurichten. Oft spielen dabei auch Aspekte wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung eine Rolle. Themen, die Johannes Kößler (*1961 in Babenhausen) nach seinem Fachabitur und anschließender Schreinerlehre genauso beschäftigten –nur dass seine Begeisterung sehr viel betagteren Objekten gilt.

Eine erste Adresse für ausgefallene Objekte

Sein Metier sind Antiquitäten wie der unten abgebildete Louis-XVI-Spiegel aus der Zeit um 1790. Das Möbel vereint alle Spezialitäten des Händlers und Restaurators Kößler. Es befindet sich im originalen Zustand, sogar die Glasscheibe stammt noch aus der Entstehungszeit. Der Spiegel hat eine besondere Herkunft, im Kunsthandel Provenienz genannt: Er stammt aus der Werkstatt des bekannten Berner Bildhauers Johann Friedrich Funk II. Dieser schnitzte ihn aus Lindenholz und brachte danach die Polimentvergoldung auf rotem Bolus (Tonerde) auf. Eine aufwendige Technik, die das Polieren des Goldes auf Hochglanz ermöglicht.

„In der Bekrönung des sogenannten »geohrten« Louis-Seize-Spiegels sind neben graviertem Lorbeerblattwerk zahlreiche Blumen in einem Korb mit einer detailreichen Schleife dargestellt“, erklärt der Experte, der das Objekt aufgrund seiner Qualität dem Schweizer Künstler zuordnet und zu einem Preis von 4.900 Euro anbietet. Eigentlich ein „Designerstück“ des 18. Jahrhunderts, das Glanzpunkte in jeder Einrichtung von heute setzen kann. „Es kommen vermehrt junge Leute zu mir, die auf der Suche nach ausgefallenen Objekten sind.“

Vom Schreiner-Handwerk zum Restaurator

Kößler hat ein Händchen für solche Werke, die zeitlich betrachtet vom Barock bis ins Biedermeier reichen, also bis etwa 1835. Eine bewusste Entscheidung: „Meine Familie ist seit fast 500 Jahren im Schreinerhandwerk tätig. Ärger am Bau und die Massenproduktion mit wenig umweltfreundlichen Materialien wie Spanplatten und Kunststoffen haben mich aber schnell zu einer eigenen Passion geführt: der Restaurierung antiker und schön alternder Möbel.“

Zahlreiche Weiterbildungen und ein Stipendium der Begabtenförderung im Handwerk – der Babenhausener verbrachte es in Venedig – säumten seinen Weg an die Spitze. Neben hochkarätigen Sammlern gehören heute Museen, über 40 Schlossverwaltungen sowie 30 Residenzen von deutschen Konsulaten und Botschaften in aller Welt zu seinen Kunden. Parallel hat der Spezialist schon an den unterschiedlichsten Orten gearbeitet, darunter auf Hawaii, in Ankara und St. Petersburg.

Nachhaltigkeit und Fundstücke mit Charakter

Kößler ist für behutsame Arbeit bekannt, die Patina bewusst erhält, und für seine Fähigkeit, in alten, noch unrestaurierten Möbelstücken ihren eigentlichen Wert zu entdecken. Er ist ständig unterwegs und überrascht uns immer wieder mit coolen Geschichten zu seinen Fundstücken, etwa über das abgebildete Biedermeier-Sofa mit mintgrünem Bezug. Es stammt aus königlichem Besitz und hat eine besondere Form. „1803 erwarb König Max I. von Bayern Schloss Biederstein und schenkte es seiner Frau Karoline als Landhaus.“ Das Sofa gehörte zum ursprünglichen Inventar.

„Rückseitig hat es einen Brandstempel HME. Dieser bezieht sich auf Herzog Max Emanuel in Bayern (1849 – 1893). Er war der Enkel Karolines und jüngster Sohn von Herzog Max in Bayern. Schloss Biederstein wurde 1944 zerstört und 1945 abgerissen. Verschiedene Möbelstücke konnten aber in Sicherheit gebracht werden und befinden sich heute teilweise in Museen.“ Oder sie gelangen über Interior-Designer in neue Projekte, wo ihre wunderschöne Patina eine Wohlfühlatmosphäre schafft. Unlängst meinte eine führende Innenarchitektin aus Deutschland: „Kößler restauriert so manches Möbelstück bereits, indem er einen Blick darauf wirft.“ That’s it.

Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Festlicher Louis-Seize-Spiegel, Schweiz, aus der Zeit um 1790. Dem Berner Bildhauer Johann Friedrich Funk II. zugeschrieben. Foto: Johannes Kößler
Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Biedermeier-Sofa aus dem königlichen Schloss Biederstein in München/Schwabing um 1820/30. Nussbaum auf Nadelholz furniert und massiv, alte Polsterung. München gilt als ein Zentrum der Möbelproduktion im Biedermeier und war bekannt für seinen schlichten Stil. Foto: Johannes Kößler
Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Ein rückseitig angebrachter Brandstempel „HME“ gibt Aufschluss über die Provenienz. Das Sofa stammt aus dem Besitz von Herzog Max Emanuel in Bayern. Foto: Johannes Kößler
Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Biedermeier Ecksessel, Altona um 1835, Palisander massiv sowie auf Eiche furniert. Die Besonderheit: Das Möbel ist vom Altonaer Tischler-Amt gestempelt und mit einem Rotwachssiegel gekennzeichnet (s.u). Foto: Johannes Kößler
Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Im Zentrum des Siegels sind die königlich gekrönten Initialen FR sowie die römische Zahl VI für Friedrich VI. König von Dänemark und Norwegen (1808–1839) zu sehen. Foto: Johannes Kößler
Antiquitäten: gegen den Wegwerf-Möbel-Trend
Louis-Seize-Kommode aus der Zeit um 1790. Kößler schreibt das Möbel dem ehemaligen Gesellen von David Roentgen, Johannes Höfle in Karlsruhe zu. Besonders sind die alte Patina der Holzoberfläche sowie der Erhaltungszustand insgesamt. Auf der Front: die Darstellung eines Parkettfußbodens mit einer klassizistischen Vase. Foto: Johannes Kößler

jkoessler.de