BEIRUT BORN_

Seit vor rund drei Jahren eine riesige Explosion durch falsch gelagertes Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut die anliegenden Stadtteile stark zerstörte, ist in der libanesischen Hauptstadt nichts mehr wie es einst war. Die Pandemie sowie die anhaltende Wirtschafts- und Währungskrise haben auch die Kreativszene zermürbt. 

Viele Designer arbeiten inzwischen vom Ausland aus. Nicht so Carlo Massoud, der im Bohème-Viertel Achrafieh wohnt, wo wir ihn besuchen. Nach seinem Studium an der Lebanese Academy of Fine Arts in Beirut und an der École cantonale d’art de Lausanne arbeitete er zwei Jahre für das Architekturbüro von Nasser Nakib in New York. Vor zehn Jahren machte er sich als Interior- und Produktdesigner mit eigenem Studio in Beirut und einem multidisziplinären Ansatz selbstständig. 

Bei einigen Projekten kooperiert er auch mit seiner älteren Schwester, der Keramikerin Marylynn Massoud. „Allein zu arbeiten gibt mir eine große Freiheit“, sagt Massoud. Gleich zu Beginn seiner Karriere hatte er Glück, denn er konnte an einem Projekt für ein Weingut mitarbeiten, das seinem Onkel gehört. Wenn Massoud nicht als Interiordesigner beschäftigt ist, widmet er sich dem Gestalten von Produkten. Zwar arbeitet er auch für Hersteller wie Ethnicraft und Blatt Chaya, die im größeren Maßstab produzieren, doch die meisten seiner Arbeiten entstehen als Einzelstücke – aus Materialien wie Beton, Silber und Bronze in enger Zusammenarbeit mit Handwerkern. 

Sie werden als Collectible Design in Galerien und auf Messen wie Carwan Gallery, Armory Show oder Nomad ausgestellt und verkauft. „Wenn ich mit Handwerkern zusammenarbeite, entdecke ich immer wieder neue Herstellungstechniken“, sagt der Designer. „Dabei entsteht ein Austausch von Kulturen, Wissen und Möglichkeiten.“ Zuweilen findet sich in Massouds Arbeiten auch versteckte Kritik an gesellschaftlichen Zuständen. 

Noch an der Universität entwickelte er beispielsweise das Projekt „Arab Dolls“ – stilisierte Figuren, die Massouds Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau im Nahen Osten zeigen und vier verschiedene Arten der Verschleierung darstellen. Die eindrücklichen Objekte wurden 2016 während der Armory Show in New York ausgestellt, die sich der Kunst im Nahen Osten widmete. „Die Ausstellung war ein voller Erfolg“, erzählt der Designer. „Wir haben alles verkauft.“