Es gibt Museen, zu denen überall in der Stadt Wegweiser führen. Respekt einflößende Hallen oder wohlgeordnete Schatzkästlein mit kunstfertigen Prziosen. Und dann sind da noch solche, die in Seitenstraßen liegen und kaum zu erkennen sind. Ein handgemaltes, vom Wetter zerfurchtes Schild baumelt über dem Eingang, schiefe Treppenstufen führen hinab in ein kärglich beleuchtetes, verschlungenes Gewölbe, in dem man sich alleine wiederfindet. Eine Kasse oder gar Angestellte sucht man vergebens.
Ungefähr so sähe wohl das Kibermanische Biographie-Universum in museal aus. Ordnung oder gar Systematik ist auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen.
Einer der mit zerkratzten Schallplatten vollgeramschten Gänge führt zu einer Bücherecke, in der aus windschiefen Regalen politische Kampfschriften, Krimis und ungelesene Romane quellen, daneben eine Sammlung schrottiger Modellautos. Verbeulte Strohhüte und mit Leukoplast geflickte Zelte hängen von der niedrigen Decke und zeugen von Sommern im Süden. Aus Koffern lugen Madonnenfiguren aus Plastik, die im Dunkeln leuchten, und ein ausgestopfter einäugiger Fuchs mit räudigem Fell. Umzugskartons mit Hunderten Briefen, Postkarten und Fotostreifen aus dem Passbildautomaten: Mädchen und Jungs, ins Bild gestapelt, lachend, grimassierend, mit wulstigen Halstüchern und dramatischem Lidstrich. Tagebücher mit rundlicher Kinderschrift, die immer zackiger erwachsen wird.
Afrikanische Holzfiguren neben lettischen Stricksocken, mumifizierte Zucker totenköpfe aus Mexiko grinsen über dem anatomischen Modell eines Darms. Hüte, Perücken und zehn schwarze Baskenmützen aus der existenzialistischen Phase. Gedichte, schief getippt auf einer alten, zentnerschweren Continental-Schreibmaschine, deren »e« stets unter der Zeile klemmt. Aschenbecher, die meisten aus Hotels geklaut. Dinge von mehr als ideellem Wert sind nicht vorhanden – es gibt keine Geschmeide, keine Münzsammlung, nur einen silbernen Ehering mit der Gravur »Alles wird gut«.
Deshalb wird die Tür des Museums auch niemals verschlossen, und es ist Teil des Konzepts, dass Besucher zu jeder Tageszeit hereinkommen und sich etwas nehmen können, was ihnen gefällt oder was sie gerade gut gebrauchen können. Selbstverständlich kann man auch etwas hinbringen, was zu schade zum Wegschmeißen ist. Und wer weiß – vielleicht taucht ja doch noch mal ein vom Alter ganz krumm gewordener Hotelier auf, um sich seine Aschenbecher endlich zurückzuholen.
Tania Kibermanis schreibt u. a. für die Frankfurter Rundschau, die taz, und sie schreibt Romane mit Jugendlichen. Und hin und wieder auch ein eigenes Buch. Zuletzt eins über Exzentriker: Spleen Royale (Rowohlt).