In der japanischen Edo-Zeit (1603–1868) entwickelte sich das Genre, das gleichermaßen künstlerisch wie provokant war: shunga, die sogenannten „Frühlingsbilder“. In ihnen vereinte der Künstler Hokusai Sinnlichkeit, Humor und Fantasie auf eine Weise, die bis heute verblüfft. Offiziell verboten, doch in Wirklichkeit äußerst beliebt, kursierten diese Werke unter Künstlern, Bürgern und sogar Samurai, die sie als Talisman mit in den Kampf nahmen.
Die neue Publikation vereint erstmals acht komplette Serien und Holzschnittfolgen Hokusais aus den Jahren 1786 bis 1823 in einem Band. Begleitet werden sie von erklärenden Essays, historischen Einordnungen und teilweise von Texten, die Hokusai selbst verfasste. Damit öffnet sich ein Tor zu einer kaum bekannten Seite seines Schaffens: eine Welt voller zärtlicher Begegnungen, schalkhafter Blicke und einer erstaunlich modernen Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.

Durch neue Drucktechniken entstanden in Hokusais Zeit farbintensive Blätter, die intime Szenen mit höchster Detailfreude zeigen – mal verspielt, mal poetisch, mal überraschend direkt. Die dargestellten Figuren reichen von Ehefrauen und Kurtisanen bis zu neugierigen Zaungästen und sogar den berühmten Kraken, die zu einem der skandalösesten und zugleich bekanntesten Motive der erotischen Kunst wurden.

Damit fügt sich Unter dem Kimono nicht nur als prachtvoller Bildband in jede Sammlung ein, sondern auch als kulturhistorisches Dokument einer Epoche, die mit erstaunlicher Offenheit auf das Thema Sexualität blickte – ganz anders als das prüde Europa desselben Jahrhunderts.