Silvia Damiani wacht über Venini

Kreative kraft aus dem Feuer

Glas- und Schmuckkunst haben eine Gemeinsamkeit. Sie erhalten ihre Form mittels Hitze.

„Ein elementarer Bestandteil ihres Herstellungsprozesses. Bei Venini eine transformative Kraft, die rohes Glas in komplexe Kunstwerke verwandelt“, findet Silvia Damiani.

 

GOODLIFE: FRAU DAMIANI, Sie sind Präsidentin von Venini und Vizepräsidentin der Damiani Group. Was inspiriert Sie in Ihrem Alltag und in der Arbeitswelt?
SILVIA DAMIANI: Für mich kommt die Inspiration sowohl aus der reichen Tradition des italienischen Kunsthandwerks als auch aus der ständigen Weiterentwicklung des Designs. In meinem Alltag finde ich Inspiration in Schönheit, Kunst, Natur und in den Menschen, denen ich in unterschiedlichen Situationen begegne – sei es bei einem Besuch einer neuen Ausstellung, eines neuen Ortes oder in anregenden Gesprächen mit Designern, Architekten oder meinen Kollegen. Ich glaube, dass die Balance zwischen der Schönheit der natürlichen Welt und der Energie der zeitgenössischen Kreativität unsere Arbeit antreiben sollte. Bei VENINI versuchen wir, diese Einflüsse zu vereinen und Stücke zu schaffen, die zeitlos und gleichzeitig modern wirken.

 

GOODLIFE: Wofür steht der Name Venini?
SILVIA DAMIANI: Venini steht für Handwerkskunst, Innovation, zeitlose Eleganz, italienisches Erbe und die ständige Erforschung von Farben. Diese Kernwerte definieren unseren Designansatz und das Erbe, das wir weiter ausbauen. Jedes Stück, das wir erschaffen, stellt eine perfekte Balance zwischen Tradition und Moderne dar – mit kreativer Weitsicht und technischen Fortschritten, die gleichzeitig eine unvergleichliche Schönheit und Raffinesse bewahren. Innovation bedeutet für uns auch die Entwicklung neuer chemischer Lösungen für einzigartige Farben und die Integration modernster Technologien wie Beleuchtung und Glas, um neue künstlerische Dimensionen zu eröffnen.

 

Was fasziniert Sie persönlich an Glas? Gibt es Parallelen zur Schmuckkunst?
SILVIA DAMIANI: Mich fasziniert an Glas seine Fähigkeit, sich zu verwandeln und je nach Formgebung, Bearbeitung und Farbgebung unterschiedliche Ausdrucksformen anzunehmen. Es ist zugleich fragil und stark – ähnlich wie Schmuck, der sowohl handwerkliches Können als auch ein künstlerisches Gespür erfordert. Beide Materialien spielen mit Licht, Textur und Form, um etwas Einzigartiges zu schaffen. Was mich wirklich begeistert, ist die handwerkliche Präzision, die Kreativität und die Liebe zum Detail, die sowohl in der Glasherstellung als auch im Schmuckdesign zum Ausdruck kommen. Beides sind Formen tragbarer oder ausstellbarer Kunst, die Emotionen einfangen und eine Geschichte erzählen können.

Darüber hinaus beziehen sowohl Glas- als auch Schmuckkunst ihre kreative Kraft aus dem Feuer – einem elementaren Bestandteil ihres Herstellungsprozesses. Bei Venini ist Feuer die transformative Kraft, die rohes Glas in komplexe, leuchtende Kunstwerke verwandelt. Ebenso nutzt die Goldschmiedekunst Feuer bei der Metallverarbeitung und Veredelung von Edelsteinen. Diese geteilte Nutzung des Feuers symbolisiert mehr als nur eine Technik – sie ist das Lebenselixier, das ihren Kreationen Emotion, Ausdruck und unvergleichliche Schönheit verleiht. Dank dieser Meisterschaft des Elements erschaffen sowohl Damiani als auch Venini Stücke, die zeitlos und faszinierend sind.

 

GOODLIFE: Die Manufaktur steht für eine lange Geschichte der Glaskunst. Nach welchen Kriterien werden neue Modelle entworfen?
SILVIA DAMIANI: Bei der Entwicklung neuer Modelle legen wir Wert auf die Balance zwischen der Bewahrung der reichen Tradition des Glasmachens und zeitgenössischem Design. Die wichtigsten Kriterien sind die Originalität des Konzepts, der innovative Einsatz von Materialien und die technische Umsetzbarkeit des Designs. Wir berücksichtigen auch, wie das Stück mit Licht und Raum interagiert, da Glas eine einzigartige Fähigkeit besitzt, seine Umgebung zu verändern. Die Zusammenarbeit mit visionären Designern ermöglicht es uns, Grenzen zu überschreiten und sicherzustellen, dass jedes neue Modell sowohl das Erbe von Venini als auch die sich ständig weiterentwickelnde Designwelt widerspiegelt. Einige herausragende Designer, mit denen wir zusammengearbeitet haben, sind Vittorio Zecchin, Napoleone Martinuzzi, Fulvio Bianconi, Carlo Scarpa und zeitgenössische Größen wie Gio Ponti, Ettore Sottsass, Peter Marino und Emmanuel Babled.

 

GOODLIFE: Welche Ära bei Venini gefällt Ihnen am besten? Uns faszinieren die 1930er- und 1950er-Jahre sehr. Und Sie?
SILVIA DAMIANI: Ich teile Ihre Begeisterung für die 1930er- und 1950er-Jahre – das waren entscheidende Jahrzehnte voller Kreativität und Innovation für Venini. Doch ehrlich gesagt, liebe ich alle Epochen von Venini, weil jede einzelne dazu beigetragen hat, das nächste aufregende Kapitel in der Geschichte der Marke aufzuschlagen. Enzo Ferrari sagte einmal: „Der beste Ferrari ist der, der noch gebaut werden muss“, und genauso empfinde ich es bei VENINI. Ich liebe und respektiere das Erbe der Marke und bewahre es sorgfältig, aber gleichzeitig bin ich stets in die Zukunft gerichtet und auf das nächste spannende Projekt fokussiert. Das Beste kommt immer noch!

 

GOODLIFE: Nach welchen Kriterien wählen Sie Künstler und Designer für neue Kooperationen aus?
SILVIA DAMIANI: Wir suchen Künstler und Designer, die unsere Leidenschaft für Innovation teilen und gleichzeitig das Erbe des Glasmachens respektieren. Kreativität, Originalität und eine klare Vision sind dabei entscheidende Faktoren. Wir bevorzugen Designer, die bereit sind, Grenzen auszuloten, mit neuen Formen zu experimentieren und frische Ideen in das Material einzubringen. Dabei ist es essenziell, dass sie die technischen Herausforderungen verstehen, die mit der Glasverarbeitung verbunden sind. Oft sind es aber auch die besten Künstler und Designer selbst, die uns kontaktieren, weil die Zusammenarbeit mit Venini für viele eine große Karriereetappe darstellt.

 

GOODLIFE: Glasblasen ist eine aufwendige und schwierige Kunst. Wie sieht es mit der nächsten Generation aus?

SILVIA DAMIANI: Ja, Glasblasen ist eine komplexe, aber auch unglaublich lohnende Kunst. Deshalb ist es für uns essenziell, dieses Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Bei Venini und in der gesamten Damiani-Gruppe setzen wir uns aktiv für die Ausbildung junger Kunsthandwerker ein – nicht nur in Bezug auf die Technik, sondern auch in Bezug auf die künstlerische Gestaltung und Kreativität. Es geht darum, das Gleichgewicht zwischen traditionellen Methoden und innovativen Ansätzen zu finden. Glücklicherweise haben sich in den letzten Jahren die Kinder einiger unserer Meisterglasbläser entschieden, bei uns zu lernen. Wir hoffen, dass wir diesen Weg fortsetzen können.

 

GOODLIFE: Es gibt heute von allem zu viele Produkte, auch von Glasvasen und -objekten. Sind Sie als Unternehmerin auch für ein „Weniger ist mehr“ in Bezug auf den Konsum?
SILVIA DAMIANI: Absolut. In einer Welt der Massenproduktion geht oft die Wertschätzung für Handwerkskunst und Qualität verloren. Ich bin fest davon überzeugt, dass „weniger ist mehr“, insbesondere im Design. Bei Venini konzentrieren wir uns darauf, zeitlose, bedeutungsvolle Stücke zu schaffen, die sich durch Eleganz und Kunstfertigkeit auszeichnen, anstatt nur Trends zu folgen.

 

GOODLIFE: Im 20. Jahrhundert sammelten viele Privatpersonen klassische Antiquitäten. Die jüngere Generation hat damit Schwierigkeiten. Woran liegt das?
SILVIA DAMIANI: Die Sammelgewohnheiten haben sich verändert. Viele junge Menschen legen heute mehr Wert auf moderne und digitale Erlebnisse als auf klassische Antiquitäten. Dennoch sehe ich eine neue Wertschätzung für Handwerkskunst und Tradition. Nachhaltigkeit, Individualität und Erzählkraft werden immer wichtiger.

 

GOODLIFE: Mokka ist die Farbe des Jahres 2025. Venini hat dazu passende Produkte auf den Markt gebracht. Wann wussten Sie, dass dies die Trendfarbe wird?
SILVIA DAMIANI: Für uns war die Einführung der „Mokka Collection“ nicht nur ein Trend, sondern eine bewusste Entscheidung, um eine warme und elegante Farbstimmung zu schaffen. Wir experimentieren kontinuierlich mit Farben – unser Ofen zählt mehr als 126 Farbtöne. Die Wahl von Mokka war eine natürliche Weiterentwicklung und keine bloße Reaktion auf Trends.

 

Silvia Damiani wacht über Venini
Lucrezia Roda fotografierte die Venini-Leuchte „Fantasmini“, ein Entwurf vom hauseigenen Atelier.
Silvia Damiani wacht über Venini
Neu in der Kollektion der Glasmanufaktur in Murano sind die Sanduhren namens „Clessidra Sommersa“.
Silvia Damiani wacht über Venini
Viele Arbeitsgänge sind nötig, um das Glas vor der Flamme in Form zu bringen, weitere Glasschichten zu überfangen und Muster zu erzeugen.
Silvia Damiani wacht über Venini
Blick in die Produktionshalle bei Venini auf der Insel Murano bei Venedig.
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Aufwändig produzierte Objekte wie diese Vase von Carlo Scarpa sind gefragte Sammlerstücke. Bei seinem Entwurf „Murrine Romane“ kombiniert er Kanarienvogelgel und Aquamarin.
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Ein Entwurf von Carlo Scarpa ist „Nido“. Die komplette Wandung der Vase ist mit einer aufwändigen Schlifftechnik entstanden – der Preis entsprechend: 14.645 Euro.
Silvia Damiani wacht über Venini
Farbenfroh! So kennen Besucher die Insel Murano.
Silvia Damiani wacht über Venini
Silvia Damiani ist Präsidentin von Veneni und Vize-Präsidentin der Damiani-Gruppe.

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