Das COR Apartment auf der Mailänder Salone
INTERVIEW mit LEO LÜBKE CEO COR
Wie habt Ihr die Location gefunden? Ist die Nähe zu Top Acts wie Dimore oder Boffi förderlich oder hinderlich gewesen?
Nach 2019 haben wir in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal in dem Showroom in der Via Solferino 11 ausgestellt. Durch die Empfehlung und Vermittlung des uns nahestehenden Designers Robin Rizzini, sind wir auf den Showroom gestoßen. Die Lage ist etwas versteckt und dennoch im Herzen des pulsierenden Brera-Viertels. Die Besucher haben das Gefühl, sie hätten einen Schatz entdeckt, wenn sie uns dort finden!
Die großen Namen unserer Nachbarn haben viele Menschen angelockt. Davon haben wir sicherlich profitiert. Manchmal war es aber im Innenhof so voll, dass die Besucher die Hinweisschilder auf COR nicht sehen konnten. Je länger die Schlangen im Hof waren, desto leerer war es in unserem Showroom!
Es war sehr spannend, COR in Kombination mit farbigen Wänden zu sehen. Nach wie vor präferieren viele deutsche Architekten weiß. Was spricht für kräftige Farben wie Eure?
Farben lösen Gefühle aus! Unser Ziel war es, durch sensible Farbstimmungen und -Klänge, für Überraschungsmomente und für eine spannenden Rhythmus zu sorgen.
Die Wirkung der Möbel sollte durch die Farben der Stoffe, der Wandfarben und der Dekoration zusätzlich verstärkt werden. Durch den Dialog der Farben wird der Raum lebendig und individuell! Und dafür steht COR: für Räume, die lebendig werden, weil sie die Persönlichkeit der Menschen, die darin wohnen, reflektieren.
Farbe ist immer sehr subjektiv. Menschen können sehr unterschiedlich auf dieselbe Farbe reagieren. Umso erstaunlicher war es, dass unsere Farbwelten von allen Besuchern sehr gelobt wurden. Sind die Farben von Wänden, Böden, Möbeln und Accessoires sehr fein, raffiniert und geschmacksicher aufeinander abgestimmt, sind diese Farbwelten anscheinend allgemeingültig und meiner Erfahrung nach sehr langlebig und nicht modisch.
Vielleicht ist es die Angst vor der „Modefalle“, die einige Architekten dazu veranlasst, sich auf weiß zurückzuziehen. Damit macht man wenig falsch, verpasst aber leider auch die Gelegenheit, Räume zu emotionalisieren. Allerdings kann man auch mit weiß komponieren und begeistern, wenn ein stimmiges Gesamtkonzept damit verbunden ist.
Welcher war Dein Lieblingsraum in Milano und warum?
Hinter der Einrichtung der einzelnen Räume stand die Idee, ein „COR-Appartement“ zu kreieren. So gab es jeweils einen Ess-, Wohn-, Lese-, Arbeitsraum und einen Eingangsbereich, die alle mit COR-Möbeln eingerichtet waren.
Durch die Abstimmung der einzelnen Räume zueinander ist bei aller Farbigkeit ein homogenes Ganzes entstanden. Deshalb fällt es mir schwer, einen Raum hervorzuheben.
Ihr habt keine Neuheiten vorgestellt und das hat mir imponiert. Brauchen wir jede Saison Neuheiten? Brauchen wir noch Messen?
Es hat lange gedauert, bis wir verstanden haben, dass jede Neuheit ein älteres Modell verdrängt. Langlebige Produkte mit Klassiker-Status können nur entstehen, wenn man Ihnen Zeit gibt, sich auf dem Markt zu etablieren. Deshalb versuchen wir, das Tempo herauszunehmen und nicht jedes Jahr ein neues Sofa-Programm auf den Markt zu bringen.
DesignerInnen hören aber nicht auf, kreativ zu sein und so ist die Versuchung immer groß, gegen die eigene Selbstverpflichtung zu verstoßen und ich gebe zu: manchmal können wir der Verlockung nicht wiederstehen! Wir versuchen aber, Modelle durch Verbesserungen und Ergänzungen attraktiv und aktuell zu halten, bevor wir mit neuen Programmen auf den Markt kommen. Ein neues Modell muss immer eine Lücke in der Kollektion füllen und sie durch neue Eigenschaften und neue Formen bereichern.
Der Mensch ist ein kommunikatives und soziales Wesen, das sich gern austauscht und vernetzt. Web-Meetings können dieses Bedürfnis nur bedingt befriedigen. Sie haben andere Vorteile, die wir während der Pandemie zu schätzen gelernt haben. Auf Dauer haben die Menschen aber Sehnsucht nach Live-Erlebnissen, wie sie Messen, Konzerte oder Urlaube bieten. Wo und wie, wenn nicht auf Messen, könnten wir besser in den Dialog mit KundInnen, LieferantInnen, DesignerInnen, JournalistInnen und vielen anderen mehr treten?
Messen sind wie ein Markt, der an einem Ort einen perfekten Überblick und eine hervorragende Transparenz über ein Branche herstellt.
Ich gebe aber zu, dass man die Konzepte, Laufzeiten und Intervalle von Messen überdenken muss. Hinzu kommt, dass Fragen der Nachhaltigkeit beim Bau der Stände bisher kaum berücksichtigt wurden. Das muss sich ändern!
Was beschäftigt Dich gerade am stärksten? Ukraine-Krieg? Wirtschaft? Radikalisierung in der Gesellschaft? Umweltthemen?
Die größte Herausforderung ist die Bewältigung des Klimawandels, weil er die gesame Menschheit betrifft und das Leben auf unserem Planeten immer stärker beeinflussen wird. Die Angst vor Umweltkatastrophen lähmt aber und führt entweder zu Verdrängung oder Depressionen. Ich wünsche mir, dass wir mit positiver Energie und mit Enthusiasmus an die Entwicklung von Lösungen herangehen. Wir alle und jeder einzelne kann etwas bewegen und jeder Schritt macht Hoffnung und Mut.
Der schreckliche Krieg in der Ukraine macht mich einfach nur traurig. Es gäbe sehr viel dazu zu sagen, aber das ist nicht der angemessene Ort dafür.
Ich habe nicht für möglich gehalten, dass so etwas mitten in Europa noch einmal geschieht. Alte Überzeugungen geraten ins Wanken. Wie können wir angemessen reagieren? Jedes Handeln und Nicht-Handeln führt uns in ein Dilemma!