Das Unternehmen JUNG hat die Villa seines Firmengründers umgebaut und erweitert – zu einem Veranstaltungsort, der von Kontrasten lebt.
Wohl dem, der eine Gründervilla hat. Die Firmengruppe JUNG gehört in diesen Kreis traditionsreicher Unternehmen und verwandelte den ehemaligen Wohnsitz ihres Gründers Albrecht Jung in ein architektonisches Highlight. Im Garten des Anwesens von 1928 in Schalksmühle entstand dazu ein Neubau aus viel Glas und Beton – verbunden mit der Villa über Freitreppen und ein Treppenhaus. Art déco und Moderne treffen hier aufeinander, bilden einen Gebäudekomplex, der von stilistischen Unterschieden lebt. Das erinnert ein wenig an die erweiterte Robert-Bosch-Villa in Stuttgart, ist deshalb aber nicht weniger imposant.
Das Gebäudekonzept von Philipp Nehse und Patrick Gerstein entstammt einem Wettbewerb, den JUNG 2017 ausschrieb. Unter 33 Einsendungen holten NGA Nehse & Gerstein Architekten den ersten Preis – mit einem Entwurf, der die Jury beeindruckte, weil er so realitätsnah war. Die Aufgabe bestand darin, die Villa in ein Multifunktionsgebäude zu verwandeln, das gleichermaßen als Büro-, Veranstaltungs-, Schulungs- und Gästehaus dienen wird. JUNG spricht dabei gerne von einem „Think Tank“, der die Zukunft der Gebäudetechnik mitgestalten soll.
Es wurden ausschließlich junge Büros zur Teilnahme zugelassen, deren Gründung nicht länger als fünf Jahre zurückliegen durfte. Denn JUNG und der Jury um Peter Cachola Schmal vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main ging es um eine frische, eigenständige Architektursprache. Der Siegerbeitrag bekam aber auch deshalb den Zuschlag, weil er sich gut in das Gelände einfügt. Der eingeschossige Flachbau von Nehse und Gerstein lässt den Blick frei auf das historische Gebäude und schafft dabei neue, interessante Sichtachsen.
Im Rahmen der Sanierung wurde die Villa weitgehend in ihren Originalzustand zurückversetzt. Das Gebäude entstand 1928 neben der damaligen JUNG-Fertigung und diente der Familie bis 2015 als Wohnsitz. Veränderungen, die im Laufe der Jahrzehnte stattfanden, wurden zurückgebaut und die historische Fensteraufteilung rekonstruiert. Helle Holzböden und ein abgestimmtes Farbkonzept mit JUNG-Schaltern in Corbusier-Farben sowie flächige Möbeleinbauten geben dem Erdgeschoss einen zeitlosen Charakter. Hier sind vor allem Empfangs- und Besprechungsräume untergebracht. Darüber liegen Büros und ganz oben im Dachgeschoss zwei Gäste-Apartments.
Aus dem neuen, in den Hang hineingebauten Kellergeschoss der Villa führt eine skulpturale, mehrfach gekrümmte Stahltreppe in die sogenannte Schalterhalle des Neubaus. Der offene, von deckenhohen Schiebefenstern gesäumte Raum ist zur freien Nutzung gedacht. Mit seinen Sichtbeton-Flächen hebt er sich klar von der Villa ab und lässt den Blick auf das umliegende Grundstück schweifen. Nur eine pfeilförmige Stütze am östlichen Ende trägt das Gewicht des Betondachs.
Die neue Gründervilla soll bewusst kein Showroom für JUNG-Produkte sein. Zwar kommt modernste Technik mit KNX-Steuerung und einer Luft-Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen sowie einer weiteren Luft-Wasser-Wärmepumpe für die Warmwasserbereitung zum Einsatz. „Es ging aber nie um eine Leistungsschau des eigenen Produktportfolios, sondern darum, die langfristig beste und nachhaltigste Lösung zu finden“, erklärt Jens Stoll, Leiter Produktmanagement im Unternehmen. Wie die meisten Bauleute habe auch JUNG darauf geachtet, die Technik bewusst und sinnvoll einzusetzen. Also nur dort, wo sie wirklich notwendig ist.