Die estnische Hauptstadt Tallinn richtet im Herbst zum siebten Mal ihre Architektur-Biennale aus. Motto diesmal: „Ressourcen für eine Zukunft“.
Der Besuch von Tallinns historischen Ortskern ist wie ein Ausflug ins Mittelalter. Gleichzeitig zählt die traditionsreiche Hauptstadt Estlands zu den modernsten Metropolen Europas – weil der baltische Staat die Digitalisierung vorantreibt und zu den Vorreitern bei Zukunftstechnologien wie dem autonomen Fahren gehört. In diesem spannenden Umfeld findet dieses Jahr bereits zum siebten Mal die „Tallin Architecture Biennale“, kurz TAB, statt. Vom 9. Oktober bis zum 1. Dezember 2024 lautet das Motto „Resources For a Future“ – Ressourcen für eine Zukunft.
Zukünftig bauen – mit wiederverwendetem Material
Die Ausstellung geht der Frage nach, wie sich Architektur mit wiederverwerteten und wiederverwendbaren Materialien neu denken lässt. Wie der Einsatz lokaler Baumaterialien über den ästhetischen Aspekt hinausgehen und allen Menschen dienen kann, nicht nur einer privilegierten Minderheit. „Angesichts der jüngsten Pandemien und Kriege hat soziale Distanzierung, wie wir sie alle erfahren, das Interesse am Lokalen geweckt“, erklärt die Chefkuratorin Anhelina L. Starkova. Als in der Ukraine lebende Architektin erfährt sie die Probleme hautnah: „Ich bin dicht dran an der brutalen Realität. Wie Architektur und Infrastruktur nicht nur durch Krisen und Gesundheitsprobleme verändert werden, sondern vor allem durch die zerstörerische Kraft des Krieges.“
Ihr Biennale-Konzept will Antworten finden auf die Frage, wie sich die Lebensdauer von Gebäuden verlängern lässt, und wie die Architektur konsolidierter und dauerhafter werden kann. Dabei richtet es sich nicht allein an Architektinnen und Architekten, sondern auch an die Öffentlichkeit. Das Programm besteht aus drei Hauptveranstaltungen: einer kuratierten Ausstellung, einem Symposium und einem Installationswettbewerb, zu dem Architekten eingeladen wurden, Ideen für öffentliche Bauten zu entwerfen. Ihre Installation sollte dabei aus Recycling-Materialien der Forst- und Abfallwirtschaft, von Holz verarbeitenden Betrieben oder Steinbrüchen bestehen.
Dauerhafte Installationen im Stadtbild
Aus mehr als 80 Einsendungen wählte die Jury 10 Finalisten aus. Der Siegerbeitrag „No Time to Waste“ (Keine Zeit zu verlieren) von Elisabeth Terrisse de Botton (ES) und Matthieu Brasebin (FR) ist ein Pavillon aus Gabionen, die mit übrig gebliebenen Steinen und Trümmern gefüllt sind. Er entsteht am Baltischen Bahnhof (Balti Jaam), einem der geschäftigsten Nahverkehrsknotenpunkte Tallinns, und wird am 11. Oktober 2024 während der Eröffnungswoche der TAB eingeweiht. Der überdachte Wartebereich bleibt auch nach Ende der Biennale als dauerhafte Installation stehen.
Die kuratierte Ausstellung gliedert sich in drei Themenabschnitte: Soziale Intelligenz, Gebäudekonzepte und Materialbildung, von denen jeder mit zahlreichen Beispielen internationaler Architekturbüros unterlegt ist. Ein begleitendes Satellitenprogramm mit Workshops, Konferenzen und Seminaren. In die Zeit der Biennale fällt außerdem das Architekturwochenende „Open House Tallin“ (12./23. Oktober 2024), zu dem Gebäude ihre Türen öffnen, die sonst der Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Überall in der Stadt lassen sich Einrichtungen, Privathäuser, Fabriken und Baudenkmäler besichtigen – oft persönlich geführt von Architekten, Inhabern, Bewohnern oder den Mietern. Mehr Informationen dazu über den Link ganz unten auf dieser Seite.