Kathedralen aus – und in – neuem Licht

Das Schweizer Kollektiv Projektil verwandelt Gebäude und Fassaden in multimediale Kunstwerke –nicht nur zur Weihnachtszeit.

Die Abbildung oben stammt aus der Johanneskirche in Stuttgart. Hier, am beliebten Feuersee, ging 2024 bereits zum zweiten Mal vor Weihnachten ein immersives Lichtspektakel über die Bühne: Unter dem Titel „Eonarium – Genesis“ zeichnete das Schweizer Künstlerkollektiv Projektil die Schöpfungsgeschichte nach. 360-Grad-Projektionen, die per 3D-Scanner an den Innenraum der neugotischen Kirche angepasst wurden, inszenierten die Entstehung der Welt: vom ersten Licht über Himmel, Erde, Ozeane, Pflanzen und Tiere bis zum Auftauchen der Menschheit.

Die Atmosphäre von Kirchen auf neue Weise erleben

Ein Soundtrack mit klassischer und moderner Musik, darunter Stücke von Jacques Offenbach, John Wasson und dem Zürcher Elektronik-Duo Adriatique, untermalt die Multimedia-Show. „Wir lassen das Alte und das Neue verschmelzen. Die Schöpfungsgeschichte ist die bekannteste Erzählung unseres Kulturkreises – klar, universell verständlich und ideal, um die sakrale Atmosphäre von Kirchen auf neue Weise erlebbar zu machen“, erklärt Roman Beranek, CEO und Gründer von Projektil.

Nach einem Studium von Interaction Design (IAD) an der Zürcher Hochschule der Künste rief er 2008 das Kollektiv ins Leben, experimentierte viel und lernte das Handwerk des „Media Mappings“ beim Wiener Unternehmen Pani. „Damals gab es kaum Vorbilder“, erinnert sich Beranek. „Wir haben einfach ausprobiert, was mit Licht und Raum möglich ist“. 2011 gelang der internationale Durchbruch mit einer Inszenierung zum 100-jährigen Jubiläum der Entdeckung von Machu Picchu. Die peruanische Regierung gab eine Lichtshow auf der Fassade der Kirche von Cusco in Auftrag, die mehr als 30.000 Besucherinnen und Besucher anzog. „Da wurde mir klar, dass wir etwas geschaffen haben, das Menschen unabhängig von Sprache oder Kultur verbindet“, so der Schweizer.

Das Konzept: immersive und interaktive Installationen

Es folgte das Illuminarium im Landesmuseum Zürich (2015), ein Weihnachtsmarkt der besonderen Art mit DJs und Multimedia-Shows, der seither rund 350.000 Besucher pro Jahr anzieht. Im Rahmen seiner Initiative DAIA (Digital And Immersive Art) veranstaltet Projektil immersive Kunstinstallationen, die Technologie und Bildung verbinden. Formate wie „Pixel Zoo Ocean“ und „Pixel Zoo Jungle“ sollen einladen, sich spielerisch mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu beschäftigen.

Auch Künstler-Persönlichkeiten wie Claude Monet, Gustav Klimt oder Frida Kahlo waren schon Thema von Installationen. In „Monet’s Garden“ etwa reagiert der Raum auf Bewegungen des Publikums und setzt ihre Bewegungen in fließende impressionistische Bilder um. Fortschreitende Technik mit immer leistungsfähigeren Projektoren und Servern spornt das Team an, die Messlatte mit jedem Projekt höher zu legen. Trotzdem sei die Technologie kein Selbstzweck, so Beranek. „Effekte allein reichen nicht aus, um das Publikum nachhaltig zu beeindrucken. Wir möchten Geschichten erzählen, die in Erinnerung bleiben – an Orten, die man vielleicht vorher nie als Bühne wahrgenommen hätte.“

 

Kathedralen aus – und in – neuem Licht
Schauplatz der Stuttgarter Projektil-Installation: die Kirche am Feuersee im Westen der Stadt. Foto: Projektil
Kathedralen aus – und in – neuem Licht
Szenenfoto aus „Eonarium – Genesis“ in der Johanneskirche Stuttgart. Foto: Projektil
Kathedralen aus – und in – neuem Licht
Die Lichtshow am Machu Picchu in Peru brachte 2011 den internationalen Durchbruch. Foto: Projektil
Kathedralen aus – und in – neuem Licht
Roman Beranek hat das Künstlerkollektiv 2008 in Zürich gegründet. Foto: Projektil
Kathedralen aus – und in – neuem Licht
Das DAIA-Projekt „Mozart Melodies“, zu sehen im Temple des Pâquis, in Genf. Foto: Jonathan Imhof
Kathedralen aus – und in – neuem Licht
„Odyssey in Space“, während des jährlichen Illuminarium im Zürcher Landesmuseum. Foto: Projektil

projektilart.com