Studio Job: existenzielle Dekadenz

Studio Job: existenzielle Dekadenz

Die Einzelausstellung von Job Smeets während der Möbelmesse war eines unserer Highlights in Mailand – nicht nur der funkelnden Objekte wegen.

Job Smeets hat seine Werke in einem Interview mit der New York Times einmal als „High-end-Kitsch“ bezeichnet. Heute würde er diesen Begriff nicht mehr verwenden, obwohl sich durchaus Parallelen zur Neo-Konzept-Kunst eines Jeff Koons oder einer Katharina Fritsch finden lassen. „Unsere Designs sind erstklassig, weil wir erstklassige Arbeit leisten. Wenn es bloß Kitsch wäre, würden sie nicht in so vielen Museen stehen“, rückte Smeets seine ursprüngliche Aussage in einem Interview mit dem niederländischen Tourismusbüro zurecht.

Es stimmt: Stücke von Studio Job waren schon im New Yorker Museum of Modern Art und im Victoria & Albert Museum von London zu sehen. In Tokio, Los Angeles und Amsterdam. Für das Museum Groningen in den Niederlanden entstand eine komplette „Job Lounge“ voller ungewöhnlicher Motive: bunte Bleiglasfenster, die rauchende Schornsteine zeigen, Glaslampen in Form einer weiblichen Brust und ein Bartresen, auf dem menschliche Skelette als Intarsien abgebildet sind.

Bronze-Skulpturen von Studio Jobs

Während der Milan Design Week widmete die Mailänder Galerie Dilmos dem Künstler eine Einzelausstellung, wobei „Einzel“ den Sachverhalt nicht ganz trifft. Job Smeets hat Studio Jobs zwar 1998 in Eindhoven gegründet, wo der Belgier auch Design studierte, er führte es aber viele Jahre gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin Nynke Tynagel. Heute arbeiten dort etwa 30 Personen: Bildhauer, Kunsthandwerker, Maler, Konstrukteure und andere Berufe. Smeets lebt sowohl in den Niederlanden als auch in Mailand und leitet das Studio als Art Director, Künstler und Designer.

Seine Spezialität waren immer Einzelstücke oder Designs in streng limitierten Auflagen, oft in Bronze gegossen oder mit dem Laser aus Holz geschnitten. Die Mailänder Ausstellung „Golden Years / Acta Est Fabula“ zeigte einen Ausschnitt dieser ikonischen Arbeiten. Im ersten Teil mit dem Titel Goldene Jahre funkelt es nur so vor den Augen der Betrachterinnen und Betrachter. Smeets von Hand gefertigte und auf Hochglanz polierte Bronze-Skulpturen spielen vordergründig mit dem Reiz der Dekadenz. Unter der glänzenden Oberfläche entfaltet sich jedoch eine surreale Symbolik.

Das gilt für das faltige und abgenutzt wirkende Sofa „Worn“ (2024) ebenso wie für „Sword“, ein Bronzeschwert, das der Künstler 2003 dem italienischen Architekten und Designer Alessandro Mendini schenkte. Wiederkehrendes Element sind Augen, die das Publikum aus jedem Blickwinkel beobachten: sei es als rotglühende LED-Ringe in „The Raging Bull“ (2024), im panischen „Cuckoo“ (2024) oder im Tafelaufsatz „Dresden Baroque“ (2016). Die Darstellung von Tieren in Gefahrensituationen löst unterschwellige Gefühle beim Betrachter aus.

Im zweiten Ausstellungsteil „Acta Est Fabula“, lateinisch für „Das Spiel ist aus“, thematisiert Job Smeets die Vergänglichkeit von Design – indem er seine Möbelentwürfe neu interpretiert. Aus dem „Curved Chair“ (1998) wird ein „Coffin Chair“ (2024) mit Sarg-Griffen an der Seite – oder eine Sarg-Liege und ein Sarg-Tisch, geschnitten aus einer einzigen umgestürzten Eiche. „Jedes Mal, wenn ich eine Show oder eine neue Kollektion kreiere, muss ich tiefer und tiefer graben, um mich selbst zu überraschen“, erklärt der Künstler. „Und dieses Mal bin ich fast zu weit gegangen.“

Studio Job: existenzielle Dekadenz
„Golden Years“, die Bronze-Edition des „Rock Sofa“ von 2003 im Atelier. Foto: Studio Job
Studio Job: existenzielle Dekadenz
„Disharmony“, 2021: Der umgedrehte Regenschirm symbolisiert in manchen Kulturen Revolution, Zwietracht oder Unglück. Foto: Dilmos Milano
Studio Job: existenzielle Dekadenz
„Dresden Baroque“, 2016: Im Auge der polierten Bronzeskulptur steckt eine funktionierende Kamera. Foto: Dilmos Milano
Studio Job: existenzielle Dekadenz
„Worn“, 2024: Die Form des Bronze-Sofas basiert auf einem Entwurf des „Qube Sofa“ von Jobs verstorbenem Freund und Designer Jan des Bouvrie. Falten und Drapierung erinnern an eine barocke Skulptur aus dem 17. Jahrhundert. Foto: Dilmos Milano
Studio Job: existenzielle Dekadenz
„Cuckoo“, 2024: Mit erschrockenem Gesichtsausdruck versucht der riesige Vogel aus seinem Käfig zu entkommen. Foto: Dilmos Milano
Studio Job: existenzielle Dekadenz
Buffet „Robber Baron III“, 2018, (links) und Sargmöbel aus der „Coffin Collection“, 2024. Dazwischen: die Bronze-Glocke „Last Call“, 2024. Foto: Dilmos Milano

Studio Job
Dilmos Galerie Mailand