Wo andere nur ans Geschäft denken, setzt Tokio auf Design und ließ Star-Architekten öffentliche Toiletten gestalten. Ein Blick durch die Brille japanischer Gastfreundschaft.
Die Stadt Tokio hebt sich von anderen Städten ab, indem sie das Konzept des Designs auch auf öffentliche Toiletten anwendet. Hier wurden namhafte Architekten engagiert, um einzigartige und ästhetisch ansprechende Toiletten zu gestalten. Tokio macht deutlich, dass es nicht nur um die praktische Funktion geht, sondern auch um die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre für die Besucher. Diese Initiative spiegelt die japanische Gastfreundschaft wider, die auf Liebe zum Detail und dem Wohl der Gäste basiert. Durch die tollen Toiletten wird das alltägliche Bedürfnis zu einer einzigartigen Erfahrung, die das Besondere an Tokios innovativem Ansatz betont.
Dass öffentliche WCs kein Schmuddelthema sein müssen, weiß jeder, der in Tokio schon mal sanitäre Anlagen besucht hat. Die Sauberkeit und durchdachte Planung dieser Einrichtungen setzen oft Maßstäbe. Aber das Projekt „The Tokyo Toilet“ ist selbst für Japan außergewöhnlich. Im Auftrag der philanthropischen Nippon Foundation und der Stadtverwaltung von Shibuya – dem lebhaftesten Bezirk der 10-Millionen-Metropole – nahmen sich weltberühmte Architekten des Themas an.
17 einzigartige Toilettenhäuschen
Seit 2021 entstanden im Stadtteil Shibuya 17 Gebäude, die alle demselben Zweck dienen, aber unterschiedlicher kaum sein könnten. Tadao Ando, Shigeru Ban, Toyo Ito, Kengo Kuma und weitere namhafte Architekten des Landes definierten das stille Örtchen neu. Design-Größen wie Mark Newson oder Miles Pennington, Wonderwall-Gründer Masamichi Katayama und Kenzo-Chefdesigner Nigō zeichneten ebenfalls für Entwürfe verantwortlich. Unterstützt wurden die Kreativen dabei vom Sanitärhersteller Toto, der dank seiner Washlets – wie Dusch-WCs in Asien heißen – seit über 30 Jahren Erfahrung mit der berührungslosen Reinigung besitzt.
Ziel der Aktion: Besucherinnen und Besucher sollen zu jeder Tages- oder Nachtzeit ein einladendes, sauberes Örtchen vorfinden. Ganz so, wie es die Omotenashi-Kultur des Landes verlangt. Der Begriff aus der japanischen Teezeremonie steht für einen achtsamen Umgang mit Gästen, der sich überall im Inselstaat bemerkbar macht – in Einzelhandelsgeschäften und Supermärkten ebenso wie in Museen oder auf einer Bahnfahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen.
Transparente WCs und Trinkbrunnen
Der Erlebniswert und die technische Ausstattung übertreffen westliche Bedürfnisanstalten bei Weitem. So stattete etwa Shigeru Ban seine beiden Pavillons mit transparenten Wänden aus. „Über zwei Dinge machen wir uns beim Betreten einer öffentlichen Toilette Gedanken: zum einen über die Sauberkeit und ob sich jemand darin aufhält“, erklärt der Star-Architekt und Pritzker-Preisträger. Die schaltbaren Glaswände seiner Gebäude bieten darum bei Nichtbenutzung vollen Einblick. Erst wenn die Tür von innen verriegelt wird, mattiert das Material und sorgt für Sichtschutz.
Die strahlend weiße Halbkugel von Kazoo Sato sieht aus wie ein UFO, das im Nanago Dori Park gelandet ist. Der Musikproduzent und interdisziplinäre Designer entwickelte eine Sprachsteuerung, die Türen, Washlets und Armaturen auf Zuruf bedient. Sie hört auf das Rufwort „Hi Toilet“ und macht den Besuch weitgehend berührungslos. Designprofessor Miles Pennington und sein Team der Universität Tokio kombinierten Nasszellen mit einem vorgelagerten Multifunktionsraum, der sich für Ausstellungen, als Kiosk oder Outdoorkino nutzen lässt. Versenkbare Poller dienen mit eingelegten Holzbalken als Sitzgelegenheiten für die Öffentlichkeit.
Auch Sou Fujimoto, einer der bekanntesten Architekten Japans, interpretierte die Aufgabe als Gemeinschaftsprojekt. Sein Gebäude sieht nicht nur aus wie ein überdimensionales Waschbecken, es bietet auch öffentliche Handwaschplätze und Trinkwasserstellen in verschiedenen Höhen für Kinder, Erwachsene und Rollstuhlfahrer. Selbst wenn der Besuch öffentlicher Toiletten nicht zu den Pflichtterminen einer Tokio-Reise gehören mag, wollten wir Ihnen diese besonderen Orte nicht vorenthalten. Es war uns ein Bedürfnis, sozusagen.