Nach der Schallplatte erlebt nun auch das Tonband ein Revival: Die Traditionsmarke Revox hat ihre legendäre Bandmaschine B77 neu aufgelegt.
Gibt es etwas Schöneres, als Musik bei ihrer Entstehung zuzusehen? Im Live-Konzert mit Künstlern auf der Bühne, na klar. Aber auch zu Hause geht nichts über das visuelle Erlebnis. Wenn eine Vinyl-LP sich langsam auf dem Plattenteller dreht, dann hat das etwas Erhabenes. Übertroffen nur von der neuen analogen Tonband-Maschine aus dem Hause Revox. Auf dieser rotieren gleich zwei Spulen vor den Augen der Fans – für doppeltes Vergnügen. Kein Audiostream der Welt kann diese Show toppen.
Die Revox B77 MK III ist die erste neue Bandmaschine seit Jahrzehnten. Profimodelle für den Studioeinsatz wurden vereinzelt noch bis Anfang der 2000er-Jahre gebaut, Heimgeräte von Anbietern wie Grundig, Sony, Teac oder Technics schon deutlich früher eingestellt. Trotzdem sind die Boliden nie ganz von der Bildfläche verschwunden – oder aus den Herzen der HiFi-Enthusiasten. Im schwäbischen Villingen pflegt die Traditionsmarke Revox ihr Erbe, restauriert Maschinen und setzt sie instand: „Das älteste Exemplar, das wir 2024 repariert haben, war eine T26 aus den 1950er Jahren“, erklärt Geschäftsführer Christoph Frey. „Ihr Besitzer ist selbst mit dem Auto aus Hamburg angereist, um sie in Empfang zu nehmen.“
Über die Jahre entstand ein eigener „Classic“-Shop, in dem Revox generalüberholte Produkte mit Herstellergarantie zum Kauf anbietet – darunter Ikonen wie die Bandmaschine B77, den Plattenspieler B795, Verstärker und CD-Spieler. Im Frühjahr 2024 erschien eine limitierte Yello-Edition der B77 MKII – zehn restaurierte und neuwertige Tonbandgeräte, handsigniert von Dieter Meier und Boris Blank, den Gründern der Schweizer Elektronik-Band Yello (limitierte Yello-Edition der B77 MKII). Sie war in kürzester Zeit vergriffen.
„Wir erleben täglich die Begeisterung und Verbundenheit unserer Fans, wenn es um analoge Musikwiedergabe geht“, berichtet Frey. Die Markennamen Revox und Studer des 75-jährigen Unternehmens haben in Audio-Kreisen einen fast legendären Klang. „Mit den heute zur Verfügung stehenden Bauteilen und Simulationsmethoden ist es allerdings möglich, die Tonqualität noch einmal deutlich zu steigern“, so der Firmenchef. Gesagt, getan: Die Idee zu einer dritten Generation der B77 war geboren. Für diese neue MKIII-Version kann Revox teilweise noch auf Originalwerkzeuge zurückgreifen. „Einige Komponenten entnehmen wir unserem sorgsam gehegten Bauteile-Lager in Villingen“. Andere, wie die Tonköpfe zur Aufnahme und Wiedergabe des Magnetbands, wurden optimiert: „Wir haben sie durch eine veränderte Legierung nochmals verbessert und langlebiger gemacht.“
Aufwendige Montage von Hand und strenge Qualitätskontrollen begrenzen die Stückzahl. Maximal 20 Exemplare fertigt die Schwarzwälder Manufaktur am Tag, was unter anderem den Preis erklärt: 15.950 Euro kostet so eine Maschine. Fachkräftemangel, von vielen deutschen Unternehmen beklagt, ist für Revox kein Thema. „Wir haben jahrzehntelang erfahrene Mitarbeiter, legen aber auch Wert auf die Aus- und Weiterbildung jüngerer Kräfte“, erklärt Frey. „Revox übt eine starke Anziehungskraft auf Fachleute aus, weil wir technologisch eine riesen Bandbreite abdecken – vom Multiuser-System, mit dem ich ganze Hotels oder Privathäuser beschallen kann, bis zu analogen Produkten wie der B77“. Die sich übrigens nahtlos in aktuelle Audiosysteme des Unternehmens integriert: Ein Adapter macht das Tonbandgerät fernbedienbar. Start, Stop, Vor- und Zurückspulen sind damit auch per App oder Wandsteuerung möglich.
Hinzu kommt die eigene Musikproduktion: Am Firmensitz in Villingen hat Revox eine Kopierstraße für Tonbänder aufgebaut, um Käufer der Maschinen mit bestmöglichem Programm zu versorgen. Hier werden Originalaufnahmen aus dem Tonstudio – die sogenannten Master Tapes – auf Spulentonband übertragen. Ob Alice Cooper, Lisa Stansfield, Suzanne Vega oder Yello: Was Künstler seinerzeit mit analoger Technik aufgenommen haben, gelangt auch so auf die Kopie, ohne Wandlung oder digitale Zwischenschritte. Neben Pop, Rock und Jazz zählen Klassik-Mitschnitte wie das Beethoven-Konzert der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm vom Mai 1971 oder Rafael Kubelík mit dem Boston Symphony Orchestra (1972) zum Katalog. „Es sind aufwendige und oft langwierige Verhandlungen nötig, um an diese originalen Studiobänder zu kommen“, weiß Frey, will die Kollektion aber kontinuierlich ausbauen.
Fehlt nur noch ein Angebot für Freunde der Musikkassette, die Revox früher auch mit hochwertigen Tape-Decks versorgte. „Uns erreichen Anfragen aus aller Welt nach bespielten Kassetten“, so Frey. Deutet das auf ein Revival des audiophilen Kassettenrekorders B710 hin? Er würde im Design perfekt zur B77 passen. „Wir beobachten die Entwicklung genau, und wenn die Nachfrage steigt, werden wir uns sicher auch Gedanken über dieses Produktsegment machen.“