Wenn die Tage kürzer werden, feiern Schweden ihr Krebsfest „Kräftskiva“. Sind Sie bereit für kulinarische Genüsse – und Herausforderungen?
Die Saison beginnt Anfang August und dauert bis in den September. Ganz Schweden trifft sich dann im Freien, um in den Abend hineinzufeiern – mit Flusskrebsen, Käse-Quiche, eingelegtem Hering, Trinkliedern, bunten Dekorationen und albernen Verkleidungen. Das klingt nach einer schönen Inspiration für das nächste Gartenfest in Deutschland …
Tradition aus dem 16. Jahrhundert
Die „Kräftskiva“, auf Deutsch Krebsfest, geht auf eine Vorliebe des schwedischen Adels im 16. Jahrhundert zurück. Das Volk stand Schalentieren damals eher skeptisch gegenüber. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts begann auch die Mittelschicht Flusskrebse zu essen. So begeistert, dass die Regierung Fangbeschränkungen einführen musste, um Überfischung zu vermeiden. Der Krebsfang zwischen November und Anfang August wurde verboten, damit die Bestände sich erholen konnten. Sobald es im Spätsommer wieder losging, feierten die Schweden – das Krebsfest war geboren.
Heutzutage gibt es importierte Flusskrebse das ganze Jahr über – aus der Türkei, aus China, den USA und anderen Ländern. Ihre saisonale Tradition möchten sich die Schweden aber trotzdem nicht nehmen lassen. Markiert sie doch das Ende des Sommers und ist eine schöne Gelegenheit, mit Familie, Freunden und Bekannten noch einmal unter freiem Himmel zusammenzukommen.
Was gehört zu einer Flusskrebs-Party?
Delikatesse des Abends sind natürlich die namengebenden Mini-Hummer aus Flüssen und Seen. Aber auch Meerwasser-Langustinen, erkennbar an ihrem längeren Körper, kommen auf den Tisch. Die Schalentiere werden in Salzwasser mit viel Dill gekocht und kalt serviert, was die Vorbereitung erleichtert. Gäste bringen häufig Beilagen mit, was den Aufwand weiter reduziert.
Beliebt sind Quiches mit „Västerbottenost“, einem schwedischen Pendant des Parmesan. Der aromatische, kristalline Käse aus der Provinz Västerbotten schmeckt auch einfach mit Butter auf frisch gebackenem Brot, das zu jeder Flusskrebs-Party gereicht werden sollte. Ebenso wie Salat, Rahmpfifferlinge auf Toast und ausreichend Bier oder „Snaps“. So heißen in Schweden alle möglichen Spirituosen wie Fruchtbrände, Kräuterliköre oder mit Gewürzen aromatisierter Aquavit.
Die Schlacht am kalten Buffet wird von ungeniertem Schlürfen begleitet. Krustentiere wollen schließlich ausgesaugt werden. Weil alle mit den Fingern essen, gehören Papierlätzchen zur Grundausstattung. Wer den Abend zelebrieren möchte, verteilt außerdem Papphütchen und hängt Lampions mit lächelnden Mondgesichtern auf. Das senkt die Hemmschwelle beim späteren Singen von Trinkliedern. Die Schweden haben hier ein ausgedehntes Repertoire, aber auch Schlager und andere Klassiker erfüllen ihren Zweck. Hauptsache schön schräg und ein bisschen albern.
Fermentierter Hering für Hartgesottene
Als Höhepunkt zu fortgeschrittener Stunde bietet sich eine „Stinky Fish Challenge“ an. Youtuber und Influencer machten den Begriff populär, als sie auf ihren Kanälen den legendären Stinkefisch „Surströmming“ probierten. Der fermentierte Hering ist ein traditionelles Gericht aus Nordschweden, das im 16. Jahrhundert entstand, während das Land unter Salzmangel litt.
Statt Fische vollständig einzusalzen, wurden sie zum Gären stehen gelassen und anschließend in Dosen abgefüllt, wo der Gärungsprozess weiterging. Das Verfahren hat sich bis heute gehalten und am Surströmming scheiden sich die Geister. Durch Milchsäurebakterien entsteht ein geradezu atemberaubender Geruch – jedoch auch ein pikanter Geschmack, der auf Brot mit Butter und gewürfelten Zwiebeln am besten zur Geltung kommen soll.
Jedes Jahr im August sind die Dosen des frischen Fangs erhältlich. Weil die Büchsen unter Druck stehen, sollten sie nur unter Wasser geöffnet werden, etwa in einem Eimer oder Trog. Sonst nutzt das beste Lätzchen nichts gegen den intensiv riechenden Fischsaft. Im Wasser werden die Heringe auch gleich gewaschen und danach serviert. Kein Genuss für jedermann, aber ein Highlight jeder privaten Kräftskiva, das noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird.