Kein Detail zu viel, aber Handwerkskunst in Hülle und Fülle: Der japanische Umgang mit Design kann als Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften dienen.
Schauplatz: die japanische Präfektur Saga. Kreative aus anderen Teilen des Landes, aus Skandinavien und Deutschland sind auf die Insel Kyūshū gereist, um einen Workshop des Möbelherstellers Ariake zu besuchen. Sie entwerfen Einrichtung – in enger Zusammenarbeit mit den Handwerksmeistern vor Ort. Am Ende werden acht Möbelstücke stehen, die es bis nach Dänemark auf die Designmesse geschafft haben. Ariake stellte sie während der „3 Days of Design“ in Kopenhagen aus.
Ariake verbindet Design mit japanischem Handwerk
Das japanische Label, 2016 von den Möbelherstellern Legnatec und Hirata Chair gegründet, veranstaltet solche Treffen immer wieder. Schon für die erste Kollektion im Jahr 2018 kamen internationale Designer wie Anderssen & Voll (Norwegen), Norm Architects (Dänemark), Staffan Holm (Schweden) und Studio MK27 (Brasilien) nach Japan, um ebenso elegante wie ergonomische Holzmöbel zu konzipieren. Während der Pandemie musste der ost-westliche Austausch leider pausieren, um im Oktober 2023 wieder aufgenommen zu werden.
Neu dabei: Monica Förster, Gründerin und Kreativdirektorin von Monica Förster Design in Stockholm, wo sie und ihr Team für Kunden wie De Padova, Fredericia, Georg Jensen und Poltrona Frau arbeiten. Förster entwarf die Frisierkommode „Hinode“ (jap. für Sonnenaufgang), deren runder Spiegel sich wie eine Sonnenscheibe von der Tischplatte erhebt. Christian Haas, bekannt für Projekte mit Classicon, Rosenthal & Co, steuerte zum Einstand seinen Stuhl „Sedai“ bei, eine Neuinterpretation des Sling Chair von Gunnar H. Gudmundsson aus Holz und japanischem Sattelleder.
Nachhaltige Materialien wie Hinoki und Washi
Von Gabriel Tan stammen der Esszimmersessel „Koi“ und die Satztische „Futago“ (Zwillinge). Der in Singapur geborene und in Porto lebende Designer arbeitet sonst für Kunden wie B&B Italia, Herman Miller und Audo Cogenhagen. Als Kreativdirektor von Ariake verkörpert er die Firmenphilosophie: internationale Design-Einflüsse mit japanischer Handwerkskunst zu verbinden. Letztere scheint in allen Möbelentwürfen durch, so auch im „Nao“-Schrank von Keiji Ashizawa. Er besteht aus Hinoki-Holz, einer duftenden Zypressen-Art, die vor Ort wächst, und Japanpapier (Washi). Als überaus langlebiges Material begleitet Washi die Japaner seit Jahrhunderten im Alltag.
Dass es zum Einsatz kommt, ist kein Zufall: Während des Workshops besuchten die Designer nicht nur einen Hinoki-Wald, um zu erfahren, wie Ariakes Lieferanten ihr Holz züchten, ernten und verarbeiten. Es stand auch Nao Washi auf dem Programm, eine familiengeführte Washi-Mühle in den Bergen von Saga. Sie stellt seit drei Jahrhunderten das papierähnliche Material her – vom Anbau der Kaji-Bäume bis zum Handschöpfen der in Brunnenwasser gekochten Pflanzenfasern.
Was lernen wir daraus? Design aus Japan ist nicht nur minimalistisch – in keinem anderen Land der Welt spielen Leerstellen und das gezielte Weglassen von Dingen eine so zentrale Rolle. Die japanische Sprache hat sogar einen Begriff dafür: „Ma“ (間) – die Lücke, die Raum für eigene Wahrnehmung lässt. Japanische Produzenten wie Ariake gründen diese Philosophie zusätzlich auf jahrhundertealtem Handwerk, das gepflegt und fortgeführt wird. Welcher europäische Möbelhersteller kann schon auf Zulieferer verweisen, deren Geschäftstätigkeit bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreicht?