Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum

Pardubitzer Mühle

Die „Automatischen Mühlen“ von Pardubice sind mehr als 100 Jahre alt. Ihr genialer Umbau führt das Industriedenkmal einer neuen Verwendung zu.

Die Pardubitzer Mühle ist ein nationales Kulturdenkmal der Tschechischen Republik. Sie wurde 1910 von einem der bedeutendsten Architekten der Tschechoslowakei errichtet: von Josef Gočár, der auch das kubistische Haus Zur Schwarzen Mutter Gottes oder die Bank der Legionen in Prag entworfen hat. Sein Stil des Rondokubismus, oft „Tschechischer Art déco“ genannt, wirkt hier noch nicht so ausprägt. Trotzdem sind die Automatischen Mühlen (Automatické mlýny) ein imposantes Gebäude.

Ein neuer Stadtteil entsteht

Nach mehr als 100 Jahren ununterbrochenen Betriebs stellte der Industriekomplex 2013 seine Arbeit ein. 2015 kauften der Architekt Lukáš Smetana und seine Frau Mariana das Gelände. Seither entsteht auf der Industriebrache – am Ufer des Flusses Chrudimka gelegen und nur wenige Dutzend Meter vom Zentrum Pardubices entfernt – ein neuer Stadtteil. Die Inhaber arbeiteten dazu mit verschiedenen Architekten zusammen. Für den Umbau des ehemaligen Getreidesilos zeichnete zuletzt das Prager Büro von Martin Prokš und Marek Přikryl verantwortlich.

Ihr Auftrag lautete, dem monumentalen Bau eine neue, soziale Funktion zu geben. In einer Mehrzweckhalle im Innern finden nun Theatervorstellungen, Vorträge, Konzerte und gesellschaftliche Veranstaltungen statt. Die Dachterrasse mit Bar bietet einen unverbauten Blick auf die Stadt. In den neu zugänglichen Getreidesilos sollen Ausstellungen stattfinden und das Silo-Erdgeschoss bildet einen überdachten Raum, der mit öffentlichen Toiletten im Untergeschoss frei zugänglich ist.

Die Modifikationen im Innern waren zurückhaltend. „Farben und Ziegelarbeiten beschränken sich auf die Fassaden, das Interieur ist gedeckt und die Materialauswahl folgt dem Prinzip von Ergänzungen, die nicht im Kontrast zum Alten stehen“, erläutern die Architekten. „Alle ursprünglichen Oberflächen blieben erhalten, einschließlich der Patina oder verschiedener Bohrlöcher und Narben, die noch von den abgerissenen Zwischenwänden stammen.“

Galerien, Café und Aussichtsterrasse

Das Areal besteht aus mehreren Gebäuden, die über eine Backsteinbrücke und Ziegelpflaster miteinander verbunden sind. Die lokale Gočár-Galerie, die Galerie für zeitgenössische Kunst der Stadt Pardubice (GAMPA) sowie ein Bildungs- und Informationszentrum haben hier ihre neue Heimat gefunden. Auf der Piazzetta am Ufer des Flusses Chrudimka finden Yoga-Kurse statt, das Café Gočár mit seinem Garten direkt am Wasser lädt zur Pause ein. Und während der Veranstaltungen ist die Dachbar auf der Silo-Terrasse geöffnet. Ein würdiges (Bau-)Denkmal für Josef Gočár.

Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum
Das Erdgeschoss des Silos wurde erschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Foto: Petr Polák
Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum
Ziegel verbinden optisch und baulich die Bereiche des ehemaligen Industriekomplexes. Foto: Petr Polák
Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum
Die Innenräume im zweiten Stock des Silos dienen nun als Ausstellungsflächen. Foto: Petr Polák
Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum
Die Dach-Bar setzten Prokš/Přikryl als Betonkubus auf die Aussichtsterrasse. Foto: Petr Polák
Ein böhmischer Getreidesilo wird Kulturzentrum
Ein Multifunktionssaal im fünften Stock steht für Theater, Konzerte oder Vorträge zur Verfügung . Foto: Petr Polák

Automatische Mühlen Pardubice

Prokš Přikryl Architekten